Übersetzungen aus "The Collected Works of Sri Ramana Maharshi" und aus anderen Quellen.
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Arunachala Pancharatna - Fünf Verse für Arunachala s.a. ebook
Die fünf Bhakti-Verse, in denen Arunachala als Manifestation des höchsten Selbst verehrt wird, sind reich an Symbolik. Sri Ramana Maharshi hat sie 1917 auf Bitte von Ganapati Muni geschrieben. Von seinen fünf Gedichten für Arunachala ist es das letzte und einzige in Sanskrit.
Dies ist die deutsche Übersetzung von Arunachala Pancharatna, die Miles Wright aus dem Sanskrit ins Englische übertragen und kommentiert hat:
Arunachala mit seinen fünf Bergspitzen von Miles Wright
1. Du Meer der Gnade
verschlingst dass vielfältige All in Deinem unendlichen Licht.
Oh Arunachala, höchstes Selbst, sei die aufgehende Sonne,
damit der Lotus des Herzens erblühe.
Viele sehen in Arunagiri (Arunachala) eine Verkörperung von Sat (Sein), der Wirklichkeit. Als solche steht Arunachala regungslos da und verbreitet unermessliche Gnade. Man muss nur den nach außen gerichteten Geist auf ihn hin lenken. So heißt es im Arunachala Mahatyam: »Wenn man Chidambaram sieht, in Kasi geboren wurde oder nur an Arunachala denkt, erlangt man die Befreiung.«
Ramana schrieb in einem Brief an Ganapati Muni: »Aham-Sphurana ist ein Zeichen der bevorstehenden direkten Erfahrung des Selbst. Wenn der reine Geist seine Aufmerksamkeit beständig darauf gerichtet hält, wird das nach unten gerichtete Herz nach oben gerichtet, erblüht und verbleibt als Gestalt des Selbst. Deshalb ist die Aufmerksamkeit auf die Quelle des Aham-Sphurana der einzige Weg. Wenn man sich ihr auf diese Weise widmet, bleibt einzig das Selbst, die Wirklichkeit, als ›ich bin ich‹ im Herzzentrum bestehen.«1
Wie die Sonne immer scheint, auch wenn wir sie nicht sehen, so erstrahlt Arunachala im Herzen aller Lebewesen als das Selbst, ungeachtet jeglicher eingeschränkter Sichtweise. Obwohl die Leben spendende Sonne immer da ist, geht sie scheinbar am Morgen auf und bringt die Lotosknospe zum erblühen, wenn sie reif ist und die trüben Gewässer hinter sich gelassen hat. Ebenso ist es hier. Obwohl die Gnade Arunachalas immer erstrahlt, scheint der Knoten des Herzens fest verschnürt zu sein, bis die reifende Wirkung von Atma Vichara (der Selbstergründung) den Geist reinigt und den unaufhaltsamen Sog in seine Quelle, das Herzzentrum, bewirkt. Dann erstrahlt das grenzenlose Licht des Selbst als vollständiges All wie immer, als ›ich bin ich‹. Das ist der Tagesanbruch, den der Devotee ersehnt. Die Gnade wird nie verliehen. Sie ist immer da. Wenn der Devotee sich sehr um die Verwirklichung bemüht und dabei die Wolke der Geisteskonzepte vertreibt, bleibt grenzenlose Gnade übrig.
2. Oh Arunachala, in Dir wird alles verschlungen,
das Bild der Erscheinungen, das erschaffen und erhalten wurde.
Du tanzt von Natur aus als ›Ich‹ im Herzen.
Man nennt dich ›Herz‹, oh Herr.
»Wie die Spinne ihr Netz aus ihrem eigenen Maul heraus spinnt und es dann wieder in sich selbst hineinzieht, bringt der Geist die Fülle der Welt hervor und zieht sie wieder in sich hinein.
Wenn sich der Geist dem Gehirn und den Sinnen zuwendet, drängen Gestalten und Namen von innen hervor. Wenn er im Herzen verweilt, kehren sie wieder dorthin zurück und liegen dort verborgen.«2
»Ich bin das Selbst, O Gudakesa, und wohne in den Herzen aller Lebewesen. Ich bin der Anfang, die Mitte und auch das Ende aller Lebewesen.«3
Die Welt existiert für beide, den Ajnani und den Jnani. Der Ajnani sieht nur die sichtbare, von sich selbst getrennte Welt, während der Jnani die gestaltlose Wahrheit versteht, die allen Dingen zugrunde liegt, das Zentrum, das keinen Umfang hat, die Quelle des Ich, die Grundlage und Stütze der sichtbaren Welt. Er versteht die Quelle seiner Identität und nennt sie ›Herz‹. Es ist das endgültige Ziel - Sat-Chit-Andanda (Sein-Bewusstsein-Seligkeit). Solange man an den Körper-Geist-Komplex glaubt, sieht man die vielfältige Welt als etwas von sich selbst Getrenntes. Wo aber wäre das Bild ohne die Leinwand, auf die es gemalt wurde?
3. Wer erforscht, wo das ›Ich‹ entsteht,
sich reinen Geistes nach innen wendet
und seine eigene Natur erkennt,
der geht in Dich ein, oh Arunachala, wie der Fluss ins Meer.
»Lass den Geist nicht ausschwärmen, indem du dich fragst: ‚Wer bist du?’ und ’Wer ist er?’ Wende ihn vielmehr nach innen und frage beständig und aufmerksam: ‚Wer bin ich?‹
Vögel in der Luft und Fische im Wasser hinterlassen keine Spur. Ebenso kann keiner den Weg der Weisen zum Selbst verfolgen.«4
Strahlend und still offenbart sich Arunachala - ein scheinbar empfindungsloser Berg - demjenigen, der ihn als Verkörperung des höchsten Selbst, das Selbst von allen, sieht und durch das reinigende Feuer von Atma Vichara (Selbstergründung) gegangen ist.
Atma Vichara ist das Mittel und das Ziel. Das Ich, das sich erhebt und wieder legt, ist nicht das wahre Ich. Es ist nichts weiter als die unbeständige Wolke, die wandert, sich verändert und sich schließlich entleert, wenn sie sich dem Berg nähert. Wenn der Geist rein wird, eilt er von selbst zu seiner Quelle, wie der Bergstrom zum Meer, und überwindet ohne Mühe alle Hindernisse auf dem Weg. Atma Vichara ist der reinigende Prozess, der den Geist von allen Unreinheiten (Geisteskonzepten) befreit. Nimm die Ergründung »Wer bin ich?« auf. Suche den Blender (das Ego-Ich). Am Ende ist er nirgends zu finden!
4. Der Yogi, der die äußeren Objekte zurückgewiesen hat
und mit beherrschtem Atem und Geist im Innern über Dich meditiert,
der sieht Dein strahlendes Licht, oh Arunachala,
und ist selig in Dir.
»Ein auf dem Wasser treibender Körper sinkt nicht ohne dass man nachhilft. Eine solche Hilfe ist die Atemkontrolle, die den Geist beruhigt. Doch der Geist muss wachsam bleiben und die Meditation muss unablässig fortgesetzt werden, selbst dann, wenn der Geist still geworden ist. Dann sinkt er ins Herz hinab. Man kann den im Wasser treibenden Körper auch beschweren, damit er sinkt. Ebenso lässt der Umgang mit Weisen den Geist ins Herz hinabsinken.«5
»Arunachala, du entwurzelst das Ego derer, die über Dich im Herzen meditieren.«6
Auf der Suche nach Freude strömt der Geist nach außen zu einem Objekt nach dem anderen. Er glaubt, auf diese Weise glücklich zu werden. Nachdem er an einer Sache vorübergehend sein Vergnügen gefunden hat, wandert er eilig zum nächsten und so fort und fort, immer auf der Suche nach dem schwer fassbaren Glück. Durch die Meditation über Sri Arunachalaramana (Atma Vichara) lernt man schließlich, so still zu sein, um den Denker (das Ego-Ich) festhalten zu können und schließlich ein für allemal [ins absolute Sein] zu sinken. Die wahre Natur des Glücks ist ›Selbst-offenbarend‹.
»Es gibt einen Raum im Herzen, der alles enthält. Feuer, Luft, Sonne, Mond und Sterne – alles existiert innen. Wenn wir den Geist mit seiner Fähigkeit zu bemessen und seinen Kategorien von Raum und Zeit überschreiten, finden wir die wahre Grundlage des Universums. Dort sind die Dinge nicht tote Materie, wie die westliche Wissenschaft uns so lange weisgemacht hat, sondern Leben und Intelligenz. Die Menschen im Westen haben sich jahrhundertelang nach außen der Welt der Sinne zugewandt und sich selbst im äußeren Raum verloren. Jetzt ist es an der Zeit, sich nach innen zu wenden und zu lernen, den inneren Raum im Herzen zu ergründen und diese lange und faszinierende Reise zum Zentrum zu unternehmen. Im Vergleich dazu ist die Erforschung des Mondes und der Planeten reines Kinderspiel.«7
5. Mit einem Geist, der Dir unterworfen ist,
betrachtet er stets alles als Deine Erscheinung.
Er verehrt und liebt nur Dich.
Er ist siegreich, oh Arunachala,
eingetaucht in Deine Seligkeit.
Im Narada Bhakti Sutra verkündet Narada in Sutra 35: »Die höchste Hingabe stellt sich nur ein, wenn man die sichtbare Welt - diese Trennung, in der man die gesehenen Dinge als Objekte des Egos bewertet – zurückweist und sich von der Anhaftung an Objekte völlig lossagt.«
Diese Hingabe (Bhakti) ist dasselbe wie die Selbstverwirklichung. Sie ist wunschlose Verehrung.
Frage: »Wie gibt man sich völlig dem Höchsten (Arunachala) hin?«
Antwort: »Wenn sich der Gedanke ›Ich tue das‹ erhebt, ist das keine Hingabe. Hingabe beendet alle Bemühungen. Solange du das Empfinden hast, dem Höchsten zu dienen, ist es immer noch keine Hingabe.«
»Das Handeln, das ohne Anstrengung geschieht, also unwillkürliches Handeln, bringt keine Bindung mit sich.
Selbst ein Jnani handelt und bewegt sich. Es gibt kein Handeln ohne Bemühen und eine Absicht (Sankalpas). Alle haben Absichten. Absichten sind von zweierlei Art: die eine ist bindend (Bandha-hetu) und die andere nicht bindend (Mukti-hetu). Erstere müssen wir aufgeben, letztere pflegen. Ohne vorausgehendes Handeln (Karma) gibt es keine Früchte und ohne eine dem Handeln vorausgehende Absicht (Sankalpas) kein Handeln.«8
Solange man sich an der Individualität festhält, steht man unter dem Einfluss von Genießendem und Handelndem. Wer sich wirklich hingegeben hat, hat keine Absichten mehr. Gib ›ich‹ und ›mein‹ auf. Die höchste Hingabe lebt von der Kraft der Meditation, die ermöglicht wird, wenn der Meditierende und das Objekt der Meditation sich nicht voneinander unterscheiden (wie in der Meditation ›Ich bin Er‹) Dieses Bhakti ist von Atma Vichara nicht verschieden. »Bhakti und Selbstergründung sind dasselbe. Das Selbst der Advaitins ist der Gott der Bhaktas.«9
»Wie sich das Salz im Meer auflöst und verschwindet, so bin ich im Körper verloren. Aber jetzt sehne ich mich danach, im Glanz Deiner Gnade aufzugehen. Iss mich, oh Herr, verdaue sowohl ›mich‹ als auch ›mein‹. Verwandle mein Sein völlig in Deinen wahren Leib, der Licht ist.«10
Kleines Glossar (eingefügt von Gabriele Ebert)
Advaitin
Anhänger des Advaita, der Lehre der Nicht-Zweiheit, d.h. das Absolute ist nicht zwei; die Grundlehre des Vedanta
Aham-Sphurana
das Pulsieren des »Ich-Ich« im Herzen, die Erfahrung des spirituellen Herzens
Atma Vichara
Selbstergründung, s. http://sites.google.com/site/ramanainfo/atmavichara
Bhakta
einer, der Bhakti übt; einer, der Gott (oder Gott in Gestalt des Gurus) liebt und ihm völlig hingegeben ist
Bhakti
Teilhabe, Hingabe; bezeichnet besonders die religiöse Liebe und Hingabe an Gott
(spirituelles) Herz (Hrdaya)
auf der rechten Seite der Brust ist der ›Sitz‹ der eigenen Ich-Identität. Doch das ›Herz‹ lässt sich nicht hierauf beschränken. Es ist das Zentrum des Seins von allem, das von keinem Umfang begrenzt wird.
Jnani
ein Mensch, der Erkenntnis erlangt hat
Ajnani
ein Mensch ohne Erkenntnis
1 Sri Ramanas Brief an Ganapati Muni in: The Mountain Path, April 1982
Du bist das Sein, das den inneren Himmel im Herzen
enthält, enthüllt und wahrnimmt.
Wenn der gedankenfreie Geist sich nach innen wendet,
erscheint Annamalai als mein eigenes Selbst.
Zwar ist Gnade nötig und wir müssen Liebe hinzufügen.
Doch dann steigt die Seligkeit empor.
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Collected Works, 9. Aufl., 2004, S. 134f
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Muruganar hat den Refrain des Liedes geschrieben. Darin sagt er, dass nichts so offensichtlich und unmittelbar erfahrbar sei wie das Selbst. Um das zu erläutern, zieht er das bekannte klassische indische Beispiel von der Stachelbeere heran. Wenn man eine solche Stachelbeere in den Händen hält, ist sie für jeden erkennbar. Dennoch ist für diese Erkenntnis die Frucht, die Hand, die sie fühlt, die Augen und nicht zuletzt der Sehende nötig, der erkennt, dass es sich um eine Stachelbeere handelt. Die Erkenntnis ist also nur mittelbar und basiert auf dem alles umfassenden Selbst. Das Selbst dagegen ist unmittelbar erkennbar und braucht nichts, was es enthüllt. Deshalb ist im Vergleich zum Erkennen des Selbst das Erkennen der Stachelbeere, die man in Händen hält, eine reine Illusion.
Muruganar kam er an dieser Stelle nicht mehr weiter und bat Ramana, die fehlenden Verse zu ergänzen. Ramana führte das Thema weiter aus und so entstand am 27. April 1927 das Lied ›Atma-Vidya‹. Atma = das Selbst und Vidya = Erkenntnis, Wissen.
[1] Der Vergleich mit der Stachelbeere wird gern herangezogen, um zu verdeutlichen, dass etwas offensichtlich ist.
[2] Annamalai = Arunachala, bedeutet in diesem Kontext ›Gott‹