Die
Hochzeitsgirlande aus Buchstaben (Akshara Mana Malai)
Einige von Sri
Ramanas Anhänger gingen täglich nach Tiruvannamalai hinunter, um Nahrung zu
erbetteln. Eines Tages baten sie ihn, für sie ein Lied zu dichten, das sie
währenddessen singen konnten. Zunächst lehnte er den Vorschlag ab und meinte,
es gäbe bereits viele Lieder von den alten Shiva-Heiligen. Als sie ihn jedoch
weiter bedrängten, schrieb er 1914 „die Hochzeitsgirlande aus Buchstaben“, ein
Lied aus 108 Strophen, nach denen jeweils der Refrain folgt. Von nun an sangen
die Devotees dieses Lied auf ihren Bettelgängen in die Stadt, was sie als
Anhänger Ramanas auswies. Das Lied wurde sehr beliebt.
Die
Hochzeitsgirlande aus Buchstaben ist ein typisches Bhakti-Gedicht, das von der
verzehrenden und ringenden Liebe der menschlichen Seele zu Gott (hier
Arunachala) erzählt und auch das persönliche Erleben Ramanas widerspiegelt. Arunachala
Akshara Mana Malai bedeutet Hochzeitsgirlande aus Buchstaben für Arunachala:
mana = Hochzeit, akshara = Buchstaben. Es ist die Hochzeitsgirlande, die die
Braut (die menschliche Seele) ihrem Bräutigam (Arunachala) windet. Die 108 Verse
entsprechen der Anzahl der Perlen einer Gebetskette, aber auch der 108 Namen
Shivas. Die Doppel- oder Mehrdeutigkeit der Verse ist eine Eigenart der
tamilischen Dichtung.
Als Grundlage
dieser Übersetzung dient die Version in den „Collected Works of Sri Ramana
Maharshi“. Zuweilen wurde auch die Übersetzung von TMP Mahadevan als
Alternative in den Fußnoten eingefügt.
Einführung von Sri Munuganar
Diese freudige
Hochzeitsgirlande aus Buchstaben, die den Strahlen der aufgehenden Sonne
gleicht, wurde vom edlen Weisen Ramana, dem Meer der Barmherzigkeit, gesungen,
um seine Verehrer, die seine Gnade suchen, von der Täuschung zu befreien. Jene,
die sie als ihre einzige Zuflucht betrachten, werden in sich erkennen, dass sie
Arunachala sind und in der Welt Shivas herrschen.
Anrufung
Gnädiger
Ganapati[1],
segne mich mit Deiner gnadenreichen Hand, damit diese Hochzeitsgirlande aus
Buchstaben Sri Arunachala, meinem Bräutigam, würdig ist.
Refrain
Arunachala
Shiva, Arunachala Shiva,
Arunachala
Siva, Arunachala!
Arunachala
Shiva, Arunachala Shiva,
Arunachala
Siva, Arunachala!
1a. Du entwurzelst das Ego-Ich derer, die im Herzen über Dich
meditieren, oh Arunachala!
1b. Arunachala, Du entwurzelst das Ego-Ich derer, die denken, dass sie
mit Dir im Geiste eins sind, oh
Arunachala!
2. Mögen Du und ich eins und untrennbar sein wie Alagu und Sundara, oh
Arunachala![2]
3. Du kamst zu mir (in mein Haus) und locktest mich zu dir. Warum hast Du
mich in Deiner Herzenshöhle eingeschlossen, oh Arunachala?
4. War es zu Deiner Freude oder um meinetwillen, dass Du mich gewonnen
hast? Wenn Du mich jetzt verstößt, wird die Welt es Dir zum Vorwurf machen, oh
Arunachala!
5. Entrinne diesem Tadel! Warum hast Du Dich mir in Erinnerung gebracht?
Wie könnte ich Dich jetzt noch verlassen, oh Arunachala?
6a. Deine Güte ist größer als die der eigenen Mutter. Ist das Deine allumfassende
Güte, oh Arunachala?
6b. Deine Güte ist größer als die der eigenen Mutter. So ist Deine
Liebe, oh Arunachala!
7a. Sei fest in meinem Geist gegründet, damit er sich Dir nicht
entzieht, oh Arunachala!
7b. Verändere nicht Dein Wesen und fliehe, sondern sei fest in meinem
Geist, oh Arunachala!
7c. Sei wachsam in meinem Geist, damit er nicht selbst Dich (in mich) verwandelt
und sich davonmacht, oh Arunachala!
8a. Zeige dem launischen Geist Deine Schönheit, damit er Dich für immer
sieht und (in Frieden) ruht, oh Arunachala!
8b. Die Dirne Geist wird aufhören, die Straßen auf- und abzuwandern,
wenn sie Dich findet. Enthülle ihr dann Deine Schönheit und binde sie an Dich,
oh Arunachala!
8c. Durch seine Unstetigkeit verhindert der Geist, dass ich Dich suche
und Frieden finde. (Halte ihn fest und) gewähre mir den Anblick Deiner
Schönheit, oh Arunachala!
9. Wenn du mich jetzt nicht umarmst, nachdem Du mich entführt hast, wo
bleibt da Deine Männlichkeit, oh Arunachala!
10. Gehört es sich für Dich, dass Du schläfst, wenn andere mich von Dir
wegziehen, oh Arunachala?
11. Auch wenn die Diebe der fünf Sinne mich überwältigen, bist Du nicht
selbst dann in meinem Herzen, oh Arunachala?
12. Du bist das Eine ohne ein Zweites. Wer könnte es da wagen, Dir zu
entschlüpfen und einfach hereinzukommen? Es ist nur Dein Spiel, oh Arunachala!
13. Du bist die heilige Silbe OM. Du bist unvergleichlich und
einzigartig. Wer kann Dich begreifen, oh Arunachala?
14. Als Mutter (des Universums) ist es Deine Pflicht, mir Deine Gnade zu
schenken und mich zu retten, oh Arunachala!
15a. Wer kann Dich jemals finden? Du bist das Auge des Auges und siehst
ohne das Auge, oh Arunachala!
15b. Da Du das Sehen der Augen bist, finde mich auch ohne die Augen!
Wer (außer Dir selbst) kann Dich erschauen, oh Arunachala?
16. Wie ein Magnet Eisen anzieht, es magnetisiert und festhält, zieh
mich an und lass nicht mehr von mir ab, oh Arunachala!
17. Du (unbeweglicher) Berg, der Du als Meer der Gnade dahinschmilzt,[3]
schenke mir die Fülle Deiner Gnade, oh Arunachala!
18. Du feuriger Edelstein, der in alle Richtungen strahlt, verbrenne meine
Niedertracht, oh Arunachala!
19. Erstrahle als mein Meister, befreie mich von Fehlern und mach mich
Deiner Gnade würdig, oh Arunachala!
20. Rette mich aus den grausamen Fallstricken verführerischer Frauen
und ehre mich durch die Vereinigung mit Dir, oh Arunachala.[4]
21. Obwohl ich Dich anflehe, bist Du hartherzig und gibst nicht nach.
Bitte, sag zu mir: „Fürchte dich nicht!“, oh Arunachala!
22. Du gibst, ohne dass man Dich darum bitten muss. Das ist Dein
unvergänglicher Ruhm. Mach Deinem Namen keine Schande, oh Arunachala!
23. Du süße Frucht in meiner Hand,[5] lass
mich vor Ekstase verrückt und vor Seligkeit betrunken sein von Deinem Wesen, oh Arunachala!
24. Du wirst gerühmt als einer, der seine Verehrer tötet. Wie könnte
ich überleben, da ich Dich umarmt habe, oh Arunachala?
25a. Du kennst keinen Ärger. Was habe ich getan, dass Du so zornig auf
mich bist, oh Arunachala?[6]
26. Du wunderbarer Berg der Liebe, den Gautama[7] pries,
herrsche über mich durch Deinen Gnadenblick, oh Arunachala!
27. Blendende Sonne, Du verschlingst das ganze Universum mit Deinen
Strahlen. Öffne den Lotus meines Herzens, ich flehe Dich an, oh Arunachala!
28a. Ich bin Deine Beute und will
mich Dir unterwerfen, verzehrt werden und so Frieden finden, oh Arunachala!
28b. Ich bin gekommen, um mich an Dir zu nähren, aber Du hast Dich an
mir genährt. Jetzt herrscht Friede, oh Arunachala!
29. Mond der Gnade, öffne mit Deinen kühlen Strahlenhänden (in mir) die
himmlische Pforte und lass mein Herz jubeln, oh Arunachala!
30. Streif diese Kleider von mir ab, enthülle mich, so dass ich nackt
bin, dann bekleide mich mit Deiner Liebe, oh Arunachala!
31. Verweile still (in meinem Herzen), damit sich das Meer der
Seligkeit auftürmt und Sprache und Gefühle darin untergehen, oh Arunachala!
32. Täusche und prüfe mich nicht weiterhin. Enthülle vielmehr Dein
transzendentes Selbst, oh Arunachala!
33. Gewähre mir die Erkenntnis des ewigen Lebens, damit ich die
wunderbare grundlegende Weisheit erlerne und die Täuschung dieser Welt meide,
oh Arunachala!
34. Wenn Du mich nicht umarmst, vergehe ich in Tränen der Sehnsucht, oh
Arunachala!
35. Wenn Du mich zurückweist, was bleibt mir dann als die Qual meines prarabdha?[8]
Welche Hoffnung kann ich dann noch haben, oh Arunachala?
36. Im Schweigen sagst Du: „Sei still“ und stehst selbst still da, oh
Arunachala!
37. Glück liegt in der friedvollen Ruhe, deren man sich erfreut, wenn
man im Selbst bleibt. Dein Heldenmut, im Selbst zu bleiben, ist jenseits der
Sprache. Jenseits der Sprache ist auch mein Zustand, oh Arunachala! [9]
38a. Du hast einst Deinen Heldenmut gezeigt, und die Gefahren waren
vorüber. Kehre nun zu Deiner Ruhestatt zurück, oh Arunachala!
38b. Oh Sonne! Du brachst hervor und die (Belagerung durch die)
Illusion war beendet! Dann erstrahltest Du bewegungslos (allein), oh
Arunachala!
39a. (Ein Hund kann seinen Herrn am Geruch erkennen.) Bin ich denn
geringer als ein Hund? Beständig will ich Dich suchen und zurückgewinnen, oh
Arunachala!
39b. Ich bin geringer als ein Hund, (weil ich nicht so gut wie er
riechen kann). Wie kann ich Dich dann (nach Hause) zurückverfolgen, oh
Arunachala?[10]
40. Gewähre mir Weisheit, ich flehe Dich an, damit ich mich nicht in
Unwissenheit aus Liebe zu Dir verzehre, oh Arunachala!
41a. Da Du die Blume nicht geöffnet vorfandst, warst Du wie eine (enttäuschte)
Honigbiene, oh Arunachala!
41b. (Im Sonnenlicht erblüht der Lotus). Wie kannst Du, der Du die
Sonne aller Sonnen bist, dann vor mir wie eine Honigbiene in der Luft schweben
und sagen: „Du blühst noch nicht!“, oh Arunachala?
42. Sprich, (wenn es so ist): „Du hast das Selbst verwirklicht, ohne zu
wissen, dass Es die Wahrheit ist. Das ist die Wahrheit“, oh Arunachala!
43a. Offenbare Dich! Du bist die Wirklichkeit, oh Arunachala!
43b. „Wirklichkeit ist nichts anderes als das Selbst“, ist das nicht
Deine einzige Botschaft oh Arunachala?
44. Du weist mich an: „Wende dich nach innen und suche stets das Selbst
mit dem inneren Auge, dann wirst du es finden“, geliebter Arunachala!
45a. Ich habe Dich im Innern gesucht. Aber meine Suche war schwach und
ich kam (ohne Belohnung) wieder zurück. Hilf mir, oh Arunachala!
45b. Meine Anstrengung war nur schwach, aber durch Deine Gnade gewann
ich das Selbst, oh Arunachala!
45c. Ich habe Dich im unendlichen Selbst gesucht und dadurch mein eigenes
(Selbst) zurückgewonnen, oh Arunachala!
46. Welchen Wert hat diese Geburt ohne die Erkenntnis, die aus der
Verwirklichung kommt? Es ist nicht einmal wert, darüber zu sprechen, oh
Arunachala!
47a. Lass mich ins wahre Selbst hinabtauchen, wohin nur jene, die rein
in Geist und Rede sind, eingehen, oh Arunachala!
47b. Durch Deine Gnade bin ich in Deinem Selbst versunken, wohin nur
jene eingehen, die ihres Geistes beraubt sind und so gereinigt wurden, oh
Arunachala!
48. Als ich bei Dir, meinem einzigen Gott, Zuflucht suchte, hast Du
mich völlig vernichtet, oh Arunachala!
49. Du Kleinod der gütigen und heiligen Gnade, das ungesucht gefunden
wird, festige meinen wandernden Geist, oh Arunachala!
50. Als ich voller Mut Dein wahres Selbst suchte, kenterte mein Floß
und die Flut kam über mich. Hab Erbarmen mit mir, oh Arunachala!
51a. Solange Du mir nicht Deine gnadenreiche Hand erbarmungsvoll entgegenstreckst
und mich umarmst, bin ich verloren, oh Arunachala!
51b. Umarme mich fest, Körper und Glieder, oder ich bin verloren, oh
Arunachala!
52. Du Unbefleckter, weile in meinem Herzen, sodass unvergängliche Freude
darin wohne, oh Arunachala!
53a. Verspotte mich nicht, der ich Deinen Schutz suche! Schmücke mich
mit Deiner Gnade und schenke mir dann Deine Aufmerksamkeit, oh Arunachala!
53b. Lächle gnädig und nicht höhnisch über mich, der Deinen Schutz
sucht, oh Arunachala!
54a. Als ich mich Dir nahte, neigtest Du Dich nicht (mir zu), sondern
standst unbewegt und eins mit mir, oh Arunachala!
54b. Ist es keine Schande, dass Du wie ein unbeweglicher Pfosten
dastehst und (es mir überlässt,) Dich zu finden, oh Arunachala!
55. Lass den Regen Deiner Gnade auf mich strömen, bevor mich Deine
Erkenntnis zu Asche verbrennt, oh Arunachala!
56. Vereinige Dich mit mir, vernichte (unsere getrennten Persönlichkeiten
von) Du und ich und segne mich mit stets lebendiger Freude, oh Arunachala!
57a. Wann werde ich wie der Äther sein und Dich erreichen, Du subtiles Sein,
so dass der Sturm der Gedanken enden möge, oh Arunachala!
57b. Wann werden die Wellen der Gedanken aufhören, sich zu erheben?
Wann werde ich Dich erreichen, der Du feiner als der feinste Äther bist, oh
Arunachala?
58a. Ich bin ein armer Tor ohne Gelehrsamkeit. Vertreib Du meine
Illusion, oh Arunachala!
58b. Zerstöre mein falsches Wissen, ich flehe Dich an, denn ich kenne
nicht die heiligen Schriften, oh Arunachala!
59. Als ich zerschmolz und zu Dir einging, meine Zuflucht, da fand ich Dich
nackt dastehen (wie der berühmte Digambara[11]), oh
Arunachala!
60. In meinem liebeleeren Selbst hast Du eine Leidenschaft für Dich
entfacht. Deshalb verlass mich nicht, oh Arunachala!
61a. Verschrumpeltes und verdorbenes Obst ist wertlos. So nimm die
reife Frucht und genieße sie, oh Arunachala!
61b. Ich bin nicht (wie) eine Frucht, die überreif und verdorben ist. Zieh
mich ins Innerste (des Herzens) und halte mich dort für immer fest, oh
Arunachala!
62a. Warst Du etwa schlau, dass Du Dich für mich eingetauscht hast, (da
meine Individualität verloren ist)? Du bedeutest für mich den Tod, oh Arunachala!
62b. Warst Du etwa schlau, dass Du Dich für mich eingetauscht, (alles
gegeben und nichts dafür erhalten) hast? Bist Du nicht blind, oh Arunachala?
63. Sieh mich an! Denk an mich! Berühre mich![12] Mach
mich reif! Mach mich eins mit Dir, oh Arunachala!
64. Gewähre mir Deine Gnade, bevor das Gift der Illusion mich erfasst,
mir zu Kopf steigt und mich tötet, oh Arunachala!
65. Sieh mich an und vertreibe meine Täuschung! Tust Du es nicht, wer könnte
dann bei Dir um Gnade für mich bitten, oh Arunachala?
66. Du hast mich durch den Wahn nach Dir vom Wahn (nach der Welt)
befreit. Heile mich nun von allem Wahn, oh Arunachala!
67. Furchtlos suche ich Dich, der Du die Furchtlosigkeit bist! Wie
kannst Du Dich dann davor fürchten, mich zu nehmen, oh Arunachala?
68. Wo ist (meine) Unkenntnis
(Deiner) Weisheit, wenn ich doch gesegnet
bin, mit Dir eins zu sein, oh Arunachala?[13]
69a. Mein Geist ist erblüht. Lass ihn Deinen Duft riechen und mach ihn
vollkommen, oh Arunachala!
69b. Vermähle mich mit Dir, ich flehe Dich an, und lass diesen Geist,
der jetzt mit der Welt vermählt ist, mit der Vollkommenheit vermählt sein, oh
Arunachala!
70. Nur der Gedanke an Dich hat mich zu Dir gezogen. Wer kann Deine
Herrlichkeit ermessen, oh Arunachala?
71. Du hast mich in Besitz genommen, Du Geist, den man nicht austreiben
kann, und mich verrückt (nach Dir) gemacht, damit ich kein Gespenst mehr bin, (das
durch die Welt wandert,) oh Arunachala!
72. Sei Du mein Halt und meine Hilfe, damit ich nicht herabhänge wie
eine zarte Kletterpflanze, (die sich an nichts festhalten kann,) oh Arunachala!
73. Du hast mich mit heiliger Asche betäubt,[14] mich
meines Verstandes beraubt und die Erkenntnis Deines Selbst offenbart, oh
Arunachala!
74. Zeig mir die Kampfweise Deiner Gnade im offenen Feld, wo es kein
Kommen und Gehen gibt, oh Arunachala!
75. Da ich nicht mehr an der körperlichen Gestalt hafte, die aus den
(fünf) Elementen besteht, lass mich für immer glücklich ruhen im Anblick Deiner
Herrlichkeit, oh Arunachala!
76. Du hast mir die Arznei gegen die Verwirrung verabreicht. Muss ich (weiterhin)
verwirrt sein? Scheine mir als Gnade, das Heilmittel gegen alle Verwirrung, oh
Arunachala!
77. Erstrahle selbstlos und schwäche den Stolz derer, die mit ihrem
freien Willen prahlen, oh Arunachala!
78. Ich bin ein Tor, der nur dann betet, wenn er (von Unglück)
überwältigt wird. Enttäusche mich dennoch nicht, oh Aruanchala!
79. Leite mich, damit ich nicht wie ein führerloses Schiff umhertreibe,
oh Arunachala!
80. Du hast den Knoten zerschlagen, der die Sicht auf Deinen Kopf und
Fuß (das unbegrenzte Selbst) verborgen hat. Willst Du nicht jetzt in
mütterlicher Liebe Dein Werk vollenden, oh Arunachala![15]
81. Sei nicht (wie) ein Spiegel, den man (zum Hohn) einem Nasenlosen
vorhält, sondern erhebe mich (aus meiner Niedrigkeit) und umarme mich, oh
Arunachala!
82. Wir wollen uns auf dem Blütenlager, dem Geist, umarmen, im innersten
Raum des Körpers (oder der höchsten Wahrheit), oh Arunachala!
83. Wie hast Du Berühmtheit erlangt, da Du Dich beständig nur mit den
Armen und Niedrigen vereinst, oh Arunachala?
84. Du hast die Blindheit der Unwissenheit mit der Salbe Deiner Gnade
beseitigt. Damit wurde ich wahrhaft Dein, oh Arunachala!
85. Du hast mir das Haar geschoren, (womit ich für die Welt verloren
war). Dann hast Du Dich (mir gezeigt), tanzend im transzendenten Raum, oh
Arunachala!
86a. Obwohl Du mich aus dem Nebel der Illusion befreit und verrückt
nach Dir gemacht hast, hast Du mich noch nicht von der Illusion befreit. Warum,
oh Arunachala?
86b. Obwohl Du mich für die Welt unempfänglich gemacht und bewirkt
hast, dass ich an Dir festhalte, hat sich Deine Leidenschaft für mich nicht
abgekühlt, oh Arunachala!
87. Ist es denn wahre Stille, wie ein unbeweglicher Stein zu bleiben
und sich nicht zu entfalten, oh Aruanchala?
88. Wer hat mir Dreck als Nahrung hingeworfen[16] und mich
meiner Lebensgrundlage beraubt, oh Arunachala!
89. Wer hat, von allen unbemerkt, mich betäubt und mir meine Seele
geraubt, oh Arunachala?
90. So spreche ich zu Dir, weil Du mein Herr bist. Sei nicht beleidigt,
sondern komm und mach mich glücklich, oh Arunachala!
91. Wir wollen uns aneinander freuen im Haus des offenen Raumes, wo es
weder Nacht noch Tag gibt, oh Arunachala![17]
92. Du wähltest mich zum Ziel für Deine Liebespfeile und verschlangst
mich dann lebendig, oh Arunachala!
93. Du bist das höchste Wesen, während ich nicht zähle, weder in dieser
noch in der anderen Welt. Was hast Du denn durch mein wertlosen Sein gewonnen,
oh Arunachala?
94. Hast Du mich nicht hereingerufen? Ich bin gekommen. Jetzt musst Du
für mich sorgen. Hart ist Dein Los, oh Arunachala!
95. In dem Augenblick, als Du mich willkommen hießest, in mich
eintratst und mir Dein göttliches Leben schenktest, verlor ich meine
Individualität, oh Arunachala!
96. Segne mich, damit ich im Sterben nicht den Halt an Dir verliere,
oder (mein künftiges Schicksal) wird schlimm sein, oh Arunachala!
97. Du hast mich von Zuhause weggelockt, hast Dich dann in mein Herz
gestohlen und mich sanft in Deines hineingezogen. (So ist) Deine Gnade, oh
Arunachala!
98. Ich habe Dein (heimliches) Tun aller Welt verraten. Sei deshalb
nicht beleidigt. Zeig mir jetzt offen Deine Gnade und rette mich, oh
Arunachala!
99. Gewähre mir die Essenz der Veden, wie sie im Vedanta als das Eine
ohne ein Zweites aufleuchtet, oh Arunachala!
100a. Betrachte selbst meine Verleumdungen als Lobpreis und schütze mich
für immer als Dein Eigentum, ich flehe Dich an, oh Arunachala!
100b. Gib, dass selbst Verleumdung mir als Lobpreis gelte, und schütze mich
für immer als Dein Eigentum, ich flehe Dich an, oh Arunachala!
100c. Leg (Deine Hand) auf meinen Kopf! Mach mich zum Teilhaber Deiner
Gnade! Verlass mich nicht, ich flehe Dich an, oh Arunachala!
101. Wie Schnee zu Wasser schmilzt, lass mich als Liebe in Dir
zerschmelzen, der Du die Liebe bist, oh Arunachala!
102. Kaum habe ich an Dich als Aruna[18]
gedacht, da war ich auch schon in Deiner Gnadenfalle gefangen! Kann das Netz
Deiner Gnade jemals sein Ziel verfehlen, oh Arunachala?
103. Wie eine Spinne hast Du mich beobachtet, um mich in Deinem Netz
(der Gnade) zu fangen. Du hast mich eingesponnen, und als ich gefangen war,
hast Du mich verschlungen, oh Arunachala!
104. Lass mich der Verehrer jener sein, die Deinen Namen in Liebe
verehren, oh Arunachala!
105. Sei der liebende Retter der Hilflosen, wie ich einer bin, die Dich
flehentlich bitten, oh Arunachala!
106. Vertraut sind Deinen Ohren die süßen Lieder Deiner Verehrer, die
sich in Liebe zu Dir ganz verzehren. Nimm dennoch auch mein armseliges Stammeln
an, oh Arunachala!
107. Du Berg der Geduld, hab Nachsicht mit meinen dummen Worten! (Betrachte
sie) als Lieder der Freude oder wie es Dir gefällt, oh Arunachala!
108. Oh Arunachala, mein geliebter Herr! Leg Deine Girlande (um meine
Schultern) und trage diese hier, die ich für Dich gewunden habe, oh Arunachala!
Gesegnet sei Arunachala! Gesegnet seien seine Verehrer! Gesegnet sei
diese Hochzeitsgirlande aus Buchstaben!
[1] ein
anderer Name für Ganesha
[2]
Das Tamilwort alagu und das Sanskritwort sundara
bedeuten beide „Schönheit“. Alagu und Sundara sind auch die Namen von Sri
Ramanas Eltern Agammal und Sundaram.
[3]
Alternativ TMP Mahadevan: Du Meer der Gnade in der Gestalt des Berges …
[4]
Alternativ TMP Mahadevan: Lass mich nicht in die
Fänge derer geraten, die grausam und hinterlistig sind. Gewähre mir Deine Gnade
und die Vereinigung mit Dir.
[5] In
der Überlieferung taucht an verschiedener Stelle das Beispiel von der
Nelli-Frucht auf, die man in der flachen Hand hält, mit der Bedeutung, dass die
Wahrheit so klar und eindeutig erfahrbar ist wie diese Frucht.
[6] Alternativ TMP Mahadevan: Du kennst keinen
Ärger und besitzt alle guten Eigenschaften. Was habe ich Verdienstvolles getan,
dass Du mich als Ziel erwählt hast? Oder: Was habe ich Schlechtes getan, dass
Du mich Dir als Ziel erwählt hast?
[7]
Gautama ist ein Hindu-Heiliger, der auf dem Arunachala wohnte.
[8] Prarabdha ist der Teil des Schicksals,
der auf Handlungen in vergangenen Geburten beruht, die in der jetzigen Geburt
zur Auswirkung kommen.
[9] Alternativ TMP Mahadevan: Ohne etwas zu tun, still zu
sein, wenn ich das Glück und den Schlaf genieße – welchen anderen Weg gibt es als diesen, sag?
[10]
Alternativ TMP Mahadevan: Durch welche Kraft
kann ich mich Dir nahen und Dich erlangen, da ich geringer als ein Hund bin?
[11] Digambara, von dik – alle Himmelsrichtungen und amba – Kleidung, d.h. einer, der in alle Himmelsrichtung gekleidet
ist, in anderen Worten, der nackt umhergeht.
[12] Das
bezieht sich auf die drei Arten der Einweihung durch Blick, Gedanke und
Berührung.
[13]
Alternativ nach TMP Mahadevan: Sag, was ist falsches Wissen? Was ist richtiges
Wissen? Gewähre mir die Gnade, dass ich letzteres erlange.
[14] Dieser
Vers spielt auf die Wanderasketen an, die Kinder bezaubern, indem sie sie mit heiliger
Asche zeichnen und als ihre Schüler von Zuhause entführen.
[15] Das
Zerschlagen des Knotens, der den Menschen an die Illusion bindet, bedeutet die
Erlangung von nirvikalpa samadhi (den
höchsten Zustand der Konzentration, in dem alle Zweiheit vorübergehend
verschwindet). Die Vollendung der Aufgabe bedeutet, den Zustand von sahaja samadhi (den natürliche Zustand
der Einheit, der beständig ist) zu erreichen.
Alternativ nach TMP Mahadevan:
Du musst, wie eine Mutter, den Knoten der Unwissenheit lösen, dessen Anfang und
Ende nicht ausfindig zu machen sind. Ich kann ihn nicht selber lösen.
[16] Wörtlich:
Wer hat mir Dreck in den Mund geworfen?, was so viel bedeutet wie: Wer hat mich
ruiniert? Der tieferer Sinn des Verses ist: Wer war es, der mich zum Individuum
gemacht und mich des vollkommenen Seins beraubt hat?
[17] eine
Anspielung auf die Höhle des Herzens, die jenseits von Raum und Zeit ist
[18] Arunachala, wörtl.
Sanskrit: das rote Glühen der aufgehenden Sonne